AUSBLICK – Märkte zwischen Wachstumsenttäuschungen, Reflationshoffnung und Inflationsangst
Auszug aus Mandantenbrief 2 / 2021
„Die Fähigkeit, heute anders zu denken als gestern
unterscheidet die Klugen von den Starrköpfigen.“
John Steinbeck
Die Aktienmärkte sind seit Anfang April 2020 in den vergangenen 12 Monaten um mehr als 50 % gestiegen. Ihr Tief hatten die meisten Börsen sogar bereits Mitte März 2020 gesehen. Vom Tiefpunkt aus lassen sich in der Regel sogar Kurszuwächse von 75 % bis 100 % messen. Diese Zahlen vor Augen sollte es nicht verwundern, wenn die Märkte zumindest einmal für ein paar Monate „durchatmen“ würden, um sich an die neue Höhenluft zu gewöhnen. Schaut man zudem auf wirtschaftliche Frühindikatoren, findet man diese zur Zeit regelmäßig auf sehr hohen Niveaus, während die Lageindikatoren noch mehr oder weniger hinterher hinken. Hier muss die Wirtschaft also in den kommenden Monaten liefern, damit es auch an den Börsen zu keinen Enttäuschungen kommt. In den Kursen scheint bereits Vieles der kommenden Entwicklungen vorweggenommen zu sein. Des Weiteren dürften die Inflationszahlen zumindest bis in den Herbst hinein weiter steigen. Dies kann jederzeit eine neue Welle von Inflationssorgen und weiter steigende Anleiherenditen verursachen.
Insofern stehen die Märkte aktuell im Zwiespalt zwischen Wachstumsenttäuschungen, Reflationshoffnung und Inflationsangst. Damit die Lage an den Börsen stabil bleibt, muss ein relativ schmaler Pfad zwischen diesen Klippen gefunden werden. Vermutlich wird dies nicht gelingen, ohne an der einen oder anderen Stelle eine kalte Dusche zu erleben. Die kommenden Monate dürften also volatiler und weniger sorglos als das 1. Quartal werden.
Vor diesem Hintergrund ist auch Vergleich des Börsenverlaufs der Nachkrisenjahre 2009/ 2010 mit dem aktuellen Marktgeschehen sehr interessant. Bleibt es bei dem Gleichlauf, dürfte bereits in Kürze die Volatilität wieder zunehmen und uns dann vermutlich bis in den Herbst eine Konsolidierung an den Märkten drohen.
Ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor sind „zu“ hohe Zinsen für die Kapitalmärkte. Welches Niveau dies ist, ist im Vorfeld schwer zu beantworten. Ein Sprichwort am Anleihemarkt besagt, dass Zinsen solange steigen, bis etwas kaputt geht. Hierfür lassen sich rückblickend zahlreiche Beispiele finden, z. B. 1987 (Aktienmarkt), 1998 (Hedgefonds LTCM), 2000 (Technologieaktien) und 2008 (Immobilien). Jedes Mal war die Verwendung von zuviel Leverage (Kredit) das Problem. In den vergangenen Wochen haben wir mit den Vorfällen um GameStop und Archegos bereits ähnliche Auswüchse erlebt, allerdings waren die Vorfälle (noch) zu klein, um ein systematisches Problem zu erzeugen. Es zeigt allerdings, dass in einigen Marktsegmenten zur Zeit sehr hohe Risiken durch die Aufnahme von Leverage eingegangen werden. Die Probleme beginnen immer dann, wenn Nachschuss-pflichten aufgrund ungünstiger Marktveränderungen / Kursverläufe nicht mehr geleistet werden können.
Steigende Zinsen sind in diesem Zusammenhang ein Problem, da besonders in den USA Trillionen US-Dollar an Assets direkt oder indirekt am US-amerikanischen Anleihemarkt hängen. Aktuell kaschiert die Perspektive auf ein starkes Wirtschaftswachstum das Problem. Wenn die Inflationszahlen bald wieder eine Beruhigung anzeigen, erledigt es sich vermutlich mit wieder fallenden Zinsen auch. Andernfalls dürften die Spekulationen über Zinserhöhungen zunehmen und größere unangenehme Überraschungen werden auch aufgrund von Fehlpositionierungen wahrscheinlicher.
Aktuell gehen wir jedoch nicht davon aus, dass diese eine neue Rezession oder Baisse (Rückgang von – 20 % oder mehr) an den Märkten einleiten würden. Für gewöhnlich – Ausnahmen 2020 – setzen fallende Märkte langsam mit einem monatlichen Rückgang von etwa – 2 % ein und erst im letzten Drittel entstehen dann rund zwei Drittel der Gesamtverluste. Hingegen signalisieren stimmungs-bedingte steile Abstürze (Kursrückgänge von weniger als – 20 %) in der Regel nur eine temporäre Korrektur.
Für diese These spricht auch, dass in der Vergangenheit ein Gewinnwachstum der Unternehmen, dass den Erwartungen entsprach oder diese übertraf, regelmäßig von einer positiven Börsenentwicklung begleitet wurde. Vor dem Hintergrund des erwartet starken Wirtschaftsaufschwungs 2021 / 2022 sollte der Gesamttrend an den Börsen aufwärtsgerichtet bleiben.
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